3.4 Social Networking

Charakteristika von Social-Networking-Anwendungen

Die wichtigste Hypertext-Erkenntnis im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist, dass Hyperlinks nicht nur Inhalte verbinden, sondern auch Menschen. Die logische Konsequenz waren Anwendungen, die sich darauf spezialisierten, die Beziehungen zwischen Menschen abzubilden und die Kommunikation zwischen den Menschen aktiv zu fördern. Aus Mediensicht hat sich dafür Oberbegriff Social Media eingebürgert, und aus Sicht der Anwender, die sich in solchen Anwendungsräumen bewegen, der Ausdruck Social Networking.

Im Gegensatz zu Communities, die schon früher existierten, sind Social Networks keine olffene Arenen, in denen jeder Inhalte für alle beitragen kann. Das Konzept der Social Networks basiert stattdessen darauf, beigetragene Inhalte nur bestimmten Nutzern (Freunden) oder Nutzerkreisen (Gruppen) zugänglich zu machen. Das hat zur Folge, dass die Inhalte privater, persönlicher und spezifischer werden. Inhalte beizutragen bedeutet, Kontakte zu pflegen. Das Beitragen von Inhalten wird zu einer sozialen Bekundung, mit ähnlicher Funktion wie im bürgerlichen Zeitalter etwa Sonntagsspaziergänge.

Beim Social Networking geht es also zunächst einmal darum, sich mit „Freunden“ zu verbinden. Die Anführungszeichen haben allerdings einen guten Grund: „Freunde“, das ist in Social Networks ein sehr allgemeiner Oberbegriff für jede Art von Kontakt. Es kann sich um private, geschäftliche, fachliche, erotische oder auch nur um sehr abstrakte Kontakte wie die zwischen Fan und Star handeln. Die einzige Barriere ist, dass beide Partner eines Kontakts der Verknüpfung zustimmen müssen. Einer der Partner richtet einen Kontaktwunsch an den anderen. Der andere bestätigt den Kontaktwunsch. Dadurch wird die Verknüpfung hergestellt.

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Vernetzte Network-Teilnehmer und Neuling

Die Abbildung zeigt, wie sich die Vernetzung von außen betrachtet in Form von Graphen darstellen lässt. Für einen neuen Teilnehmer ist die Sache nicht erledigt, indem er einfach der Plattform beitritt. Er muss sich mit anderen Teilnehmern verknüpfen, also „Freunde“ haben, um von der Plattform überhaupt sinnvoll profitieren zu können. Da die Betreiber solcher Plattformen ein Interesse daran haben, dass sich die Teilnehmer fleißig vernetzen und die Plattform nutzen, wird das Finden von Freunden plattformseitig in aller Regel stark unterstützt. Viele Networks bieten beispielsweise an, Adressbücher aus Mail-Clients zu importieren, um zu suchen, welche der dort gespeicherten Kontakte bereits Teilnehmer im Network sind. Auch die Suche nach Schulen und Abschlussjahrgängen gehört zum typischen Repertoire des Findens von Freunden. Einige Plattformen reagieren auch darauf, wenn sich ein Neuling mit einem erfahrenen Teilnehmer verbindet. Der erfahrene Teilnehmer wird auf den Umstand hingewiesen, dass der Partner ein Neuling ist, und aufgefordert, sich zu überlegen, welche eigenen Network-Kontakte der Neuling ebenfalls kennt. Das Vermitteln von Kontakten ist also ebenfalls eine wichtige Funktion.

Damit gezielte Freunde-Suchfunktionen wie etwa die nach Schulen und Abschlussjahrgängen möglich werden, muss die Plattform natürlich erst einmal über die entsprechenden Daten verfügen. Die entsprechenden Daten kommen dadurch zustande, dass sich die Teilnehmer Profile anlegen. Dabei hinterlegen sie feldorientierte Daten zu Adressen, Telefonnummern, Mailadressen, aber auch zu besuchten Schulen oder Unternehmen, bei denen sie gearbeitet haben oder arbeiten, sowie zu persönlichen Vorlieben und Interessen. In vielen Plattformen können die Teilnehmer genau skalieren, welche ihrer Freunde welche ihrer hinterlegten Daten sehen können.

Das Repertoire der Möglichkeiten, direkt innerhalb der Plattform zu kommunizieren, ist von Betreiber zu Betreiber derzeit noch recht unterschiedlich. Die rudimentärste Form haben alle implementiert: nämlich die Möglichkeit, direkte Nachrichten an Freunde senden und von ihnen empfangen zu können. Das ist jedoch nicht viel mehr als eine Art plattform-interner Mailservice, der häufig nicht einmal alle Möglichkeiten moderner Mime-Message-Mails bietet. Ein Vorteil ist, dass die Nachrichten an einem rechnerunabhängigen Ort gespeichert sind. Doch dazu stehen mittlerweile auch Cloud-Computing-Lösungen zur Verfügung. Andere, je nach Plattform integrierte Kommunikationsmöglichkeiten sind Chats. Andere wiederum setzen verstärkt auf Statusmeldungen, orientiert an der Beliebtheit der Statusphäre. Für den eher öffentlichen Austausch stehen die Gruppen zur Verfügung, häufig Fach- oder Interessensforen, manchmal aber auch reine Jux- oder Quasselbuden.

Alle namhaften Social Networks sind web-basiert und mehr oder weniger stark in die Hypertextumgebung des Web integriert. Sie basieren auf den gleichen Technologien und Prinzipien wie jede andere Website. Teilnehmer benötigen nichts anderes als einen Web-Browser. Der Zugriff ist deshalb auch mobil oder von öffentlichen Terminals aus problemlos möglich. Die Network-Betreiber bieten ihren Teilnehmer häufig auch attraktive Möglichkeiten an, Webinhalte von außerhalb der Plattform in eigene Profile und Statusmeldungen zu integrieren, beispielsweise Feeds oder YouTube-Videos. Dennoch nehmen die Networking-Plattformen dem offenen Web auch eine Menge. Viele interessante Diskussionen verlagern sich in geschlossene Benutzergruppen innerhalb der Networks oder in Nutzerbeiträge, die nur jeweils involvierten und vernetzten Teilnehmern zugänglich sind. Manche Teilnehmer bloggen auch, jedoch nur innerhalb ihres Networks. Die Network-Plattformen profitieren also vom Web außerhalb, geben ihm aber nichts zurück. Im Gegenteil, sie ziehen Ressourcen vom offenen Web ab.

Größe und Ausrichtung von Networks

Es gibt kleinere und größere Social-Network-Plattformen. Es gibt Networking-Plattformen, die eher auf den Business-Bereich abzielen, und solche, die sich vornehmlich an Jugendliche richten. Einige sind auf einen Sprachraum begrenzt, während andere mehrsprachige Oberflächen anbieten und ihre Nutzer weltweit rekrutieren. Auch die Geschäftsmodelle der Plattformen unterscheiden sich. Einige bieten Premium-Accounts an, bei denen die Nutzer gegen eine monatliche Grundgebühr gegenüber der frei verfügbaren Grundversion einige Vorteile genießen. Andere setzen auf Finanzierung durch eingeblendete Werbung.

Eine Qual der Wahl ist aber nicht nötig. Es spricht nichts dagegen, in zwei oder mehreren Social Networks aktiv zu sein, außer vielleicht die zu investierende Zeit. Viele Nutzer finden es sogar von Vorteil, etwa berufliche und private Netzwerke über völlig verschiedene Plattformen zu pflegen. Die meisten Nutzer entscheiden sich gar nicht abwägend für eine Plattform, sondern werden von Freunden, Verwandten oder Bekannten zur Anmeldung in einer bestimmten Plattform angeregt.

Bekannte Social Networks

Die Networks mit den größten Teilnehmerzahlen weltweit sind (Stand: Ende 2009) Facebook und MySpace. Der Unterschied zwischen beiden ist jedoch, dass Facebook nach wie vor stark wächst und MySpace eher stagniert. Während Facebook aus der (weißen) amerikanischen Studentenszene hervorging, ist MySpace traditionell eine Austauschplattform für Musiker und Bands und eine, die zumindest ursprünglich tendenziell eher schwarze „Milieus“ angesprochen hat. Facebook ist jedoch auch wesentlich moderner als MySpace und wohl das Network, das seinen Teilnehmern die meisten Formen von Kommunikation und Selbstpräsentation bietet.

Innerhalb von Deutschland sieht die Nutzung anders aus, da hier Networks mit lokaler Ausrichtung stärker dominieren. Nach Nutzerhahlen führend ist das Network-Trio studiVZ, schuelerVZ und meinVZ. Dahinter kursieren Wer-kennt-wen (WKW) und Facebook, das auch in Deutschland derzeit am stärksten wächst.

Im Business-Bereich ist zumindest in Deutschland immer noch das Network Xing die erste Wahl. Es zeichnet sich vor allem durch starke Job-Börsen und qualitativ hochwertige Fachgruppen aus, hat jedoch auch den Ruf, etwas steif und konservativ zu sein. Weitere bekannte Network-Plattformen sind LinkedIn und Friendster.

Fazit

Social Networks bleiben technisch Teil des World Wide Web und seiner Hypertext-Infrastruktur. Ein Vorteil davon ist beispielsweise, dass die Profile von Menschen, die in Social Networks aktiv sind, Web-URLs haben und im Web auffindbar sind. Öffentlich sichtbar sind davon jedoch nicht viele Daten. Besucher sollen vielmehr ermutigt werden, selbst der Networking-Plattform beizutreten und sich plattform-intern mit der gesuchten Person zu vernetzen. Das ist grundsätzlich auch sinnvoll, da die Teilnehmer innerhalb des Networks keine gläsernen, vollkommen öffentlichen Netzinhalte sein müssen. Stattdessen unterstützen Social Networks die gewohnte Art von Menschen, sich gezielt nur bestimmten anderen Menschen zu öffnen. Genau dadurch gelangen aber auch mehr und mehr persönliche, private und intime Inhalte ins Web, die, wenn erst einmal gepostet, kaum noch zu tilgen sind.

Viele Menschen, besonders jüngere, nutzen Social Networks einfach ergänzend zum normalen sozialen Umfeld. Die „Freunde“ im Netzwerk sind vorwiegend Klassenkameraden, Kumpels oder Kollegen, also Menschen des normalen täglichen Umgangs. Einige nutzen das Networking aber auch dazu, um sich mit entfernten, anderen Menschen zu vernetzen, die sie persönlich gar nicht oder kaum kennen, deren Interessen sie jedoch teilen, oder mit denen sie sich fachlich besonders gut austauschen können.

Was die Teilnehmer in Social Networks posten, empfinden sie häufig nicht als bewussten Beitrag zu einem Hypertextnetz, besonders dann nicht, wenn es sehr persönlich und situationsgebunden ist. Social Networking ist für Hypertext also weniger in Bezug auf darin beigetragene Inhalte von Bedeutung. Relevant ist jedoch die Tatsache, dass sich Menschen web-basiert massenhaft vernetzen. Das hat nicht nur soziale Folgen, sondern auch Folgen für das „Web-Bewusstsein“. Vernetzung bedeutet erhöhte Bereitschaft zur Verlinkung. Allerdings handelt es sich dabei vermehrt um „Spezl-Verlinkung“, schöner ausgedrückt, um social linking, das eher von menschlichen Verstrickungen und Zusammenhängen geprägt ist als vom interesselosen Erkennen von Zusammenhängen.

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