Wegen der Taten der schwarz-gelben Koalition und der spannenden Frage, was aus den Wahlversprechen der FDP wird, wird der Koalitionsvertrag der erst messbare Schritt sein, den man entlang der im Wahlkampf geäußerten Veränderungswünsche und Forderungen validieren kann. Die engagierten Netzbürger - also die Piraten im Geiste, die nicht unbedingt deren Parteigänger sein müssen - werden die Chance haben, ihre aktuelle Politisierung in einem permanenten Prozess des Politiküberwachung (Pol-watch auf neu-deutsch :-)) zu manifestieren. Dies wird ein wichtiger Schritt sein, in dem man/wir lernen, auch mit Enttäuschungen und Verarsche fertig zu werden, ohne demotiviert die Flinte in Korn zu werfen. Denn bis zur liquid democracy, fürchte ich, dauert es noch einige Jahrzehnte. Und bis dahin braucht man ja was zum üben und in-Form-bleiben :-) Ob die Piraten dabei eine eigenständige Partei werden oder ob deren Ideen in die etablierten Parteien einsickern, ist für mich zweitrangig.
Danke für das heutige Buzzword; ich werd's auf meinem Bingo-Blatt vermerken…
Eine Sache, die sich durch die Geschichte menschlicher Gesellschaften zu ziehen scheint, ist, dass Macht gern an einzelne Personen vergeben wird.
Häuptlinge, Fürsten, Könige, neuerdings Abgeordnete. Der "Amtsbonus" für Amtsinhaber zeigt, dass die Menschen gerne explizit bekannte Personen wählen.
Irgendwelche Gremien oder Räte werden hingegen weniger gern gewählt oder an der Macht gesehen, und sogar in kommunistischen Zentralkommitees, Kommunen und Brigaden gab es immer einen Vorsitzenden, starken Mann, Chef, Wortführer.
Kaum vorstellbar also, dass die menschliche Neigung nach der Identifikation mit einer Führungsperson in naher Zukunft nachlässt, und der moderne Mensch statt bekannter Persönlichkeiten unbekannte Kompetenzträger oder gar Sparten-Kompetenz-Flashmobs wählt.
Die klassischen Parteien, die die Meinung ihrer Mitglieder aggregieren und amplifizieren und mit der Schlagkraft einer eng vernetzten, teils verschworenen Gemeinschaft und einer effizienten, flaschen, aber hierarchischen Organisation vertreten, werden durch die locker vernetzten und auf Projekt-Basis operierenden Flüssig-Demokraten nicht ersetzt werden.
Was jetzt (und sowieso immer) ratsam ist ist, Mitglied einer Partei zu werden, anstatt als flüssig-demokratische Amöbe darauf zu warten, dass der Evolutionsvorteil der Mehrzeller von Zaubererhand aufgehoben wird.
Peter
Hallo Peter,
Eine Sache, die sich durch die Geschichte menschlicher Gesellschaften zu ziehen scheint, ist, dass Macht gern an einzelne Personen vergeben wird.
Und weil es angeblich immer so war, wird es angeblich immer so bleiben. Konservatismus in Reinkultur ;-)
Kaum vorstellbar also, dass die menschliche Neigung nach der Identifikation mit einer Führungsperson in naher Zukunft nachlässt, und der moderne Mensch statt bekannter Persönlichkeiten unbekannte Kompetenzträger oder gar Sparten-Kompetenz-Flashmobs wählt.
Wenn die Leute so was brauchen, sollen sie halt DSDS und dergleichen veranstalten. Aber daraus kann man doch nicht einfach ableiten, dass auch die gesellschaftliche Gestaltung durch Leithammel erfolgen muss. Tut sie ja auch gar nicht. Nicht die Rampensauen machen die Gesetze, sondern ein Heer von unbekannten Beamten dahinter. Alles, was ich mir wünsche, ist, dieses Prozedere aus den blackbox-artigen Ministerienbunkern in ein für alle transparentes und beeinflussbares Prozedere überführt wird.
Die klassischen Parteien, die die Meinung ihrer Mitglieder aggregieren und amplifizieren und mit der Schlagkraft einer eng vernetzten, teils verschworenen Gemeinschaft und einer effizienten, flaschen, aber hierarchischen Organisation vertreten, werden durch die locker vernetzten und auf Projekt-Basis operierenden Flüssig-Demokraten nicht ersetzt werden.
Sicher nicht von heute auf morgen. Aber es hat sie nicht immer gegeben, also warum sollte es sie immer geben? - mal ganz unkonservativ gefragt. Fakt ist, dass schon heute viele der Leute in deinem Alter viel, viel weniger mit klassischer Kaderbindung anfangen können als frühere Generationen. Aber OK, das sollte ich nicht besser wissen als du ;-)
viele Grüße
Stefan Münz
Ich kann Dir nur empfehlen, mal Kommunalpolitik zu machen, dann lernst Du vielleicht, dass verschiedene Interessengruppen eine transparente und offene Diskussion von Dingen schon auf Kreisebene unmöglich machen können.
Ich glaube auch, es ist besser, dass Parteien, bestehend aus Leuten mit ähnlicher Meinung, zunächst intern Ideen formulieren und zuspitzen, und diese erst dann öffentlich diskutiert werden.
Wenn jedes Thema sofort mit allen diskutiert würde, würde womöglich immer nur Einheitsbrei und Stillstand herauskommen.
Die Grünen hätten keinen Atomausstieg gefordert und durchgesetzt, sondern die Mehrheit in der transparenten Diskussionmasse hätte diese Idee schon im Anfangsstadium plattgemacht… glaube ich.
Moin,
in Ergänzung zu dem was Stefan sagte: Du argumentierst mit ein wenig holzschnittartig; es geht nicht um ein entweder/oder.
Liquid Democracy ist in meinen Augen kein Ersatz bisheriger repräsentativer Demokratieformen sondern eine Ergänzung, ähnlich wie Volksabstimmungen - nur flexibler.
Der Wähler kann bei jeder Abstimmung entscheiden, ob er den gewählten Vertreter abstimmen lässt oder die Entscheidung an sich zieht. Wmn das Mitentscheiden also (intellektuell oder zeitlich) überfordert, kann so passiv wie bisher den Prozess begleiten und sein Engagement auf die Hauptwahlakt bechränken.
Ich glaube, dass wir den Wähler nicht unterschätzen dürfen, im Gegenteil: die Einschränkung auf "alle 4 oder 5 Jahre, aber ansonsten machen die ja eh, was sie wollen" trägt sicher zur verbreiteten Demokratiemüdigkeit mit bei. Es geht aber auch anders und "komplizierter": Angebote zum Kumulieren oder Panaschieren sind ja auf kommunaler Ebene durchaus verbreitet.
Apropos Panaschieren: Nicht nur mich stört schon seit längerem, dass ich Parteien als ein zu grobes Muster für meine Wahlentscheidung empfinde. Ein panaschieren nach Themenblöcken halte ich für z.B. das Mindeste bei der Weiterentwicklung des Wahlaktes.
Gruß
Swen