Die Piratenpartei hat eine Umfrage gestartet:
- Wie soll deiner Meinung nach mit Internetseiten mit rechtswidrigem Inhalt (z.B. Kinderpornographie) umgegangen werden?
Zur Auswahl gestellt werden die Antwortmöglichkeiten:
- Löschen (das ist die in IT-sachkundigen Kreisen eindeutig favorisierte Lösung)
- Sperren (das ist die von Regierungskreisen vorgeschlagene Zudeck-Lösung)
- Tolerieren (das ist die Lösung für Raikale und Pädophile … oder?)
Durch die Auswahlmöglichkeit "Tolerieren" zwingt die Umfrage auf jeden Fall zu mehr Nachdenken, als wenn nur die beiden bekannten Optionen "Löschen" oder "Sperren" angeboten würden.
Es genügt meiner Ansicht nach nicht, nur damit zu argumentieren "es verstößt gegen Paragraph ### des deutschen Strafgesetzbuchs, also sollte es gelöscht werden". Denn "es" befindet sich ja in einem weltweit verfügbaren Netz, und andere Länder haben andere Paragraphen. Länder mit ähnlichen Wertvorstellungen (christlich, demokratisch usw.) haben wahrscheinlich noch sehr kompatible Strafgesetzbücher. Doch spätestens bei Ländern und Völkern mit ganz anderen religiösen, kulturellen und politischen Backgrounds sieht es anders aus.
Glücklicherweise gibt es zumindest einige Phänomene, die in praktisch allen Gesellschaften der Welt geächtet sind — Sex mit Kleinkindern, Kannibalismus usw. Mediales Darstellen von Inhalten solcher Art lässt sich deshalb auch noch am ehesten weltweit verfolgen, und das Löschen solcher Inhalte wird wohl von kaum jemandem auf dieser Welt als Zensur empfunden.
Ganz anders sieht es aber bereits bei Jugendlichen aus. Wird in westlichen Ländern die mediale Darstellung von Sex zwischen oder mit Jugendlichen stark in die Nähe von Kinderpornographie gerückt, gibt es afrikanische und asiatische Länder, die damit ganz anders umgehen, aus welchen Gründen auch immer.
Noch schwieriger wird es bei Straftatbeständen wie etwa der Volksverhetzung. Verhetzt ein Deutscher die Juden, verstößt er gegen das deutsche Strafgesetzbuch. Verhetzt ein Palestinenser die Juden, wird er von großen Teilen seines Volkes dafür gelobt. Da auch Deutsche die Judenhetze des Palestinensers im Netz lesen können, müssten deutsche Behörden eigentlich versuchen zu erwirken, dass die Inhalte des Palestinensers vom Netz genommen werden und der Anbieter bestraft wird. Die mehrheitlich radikal-antijüdisch eingestellten palestinensischen Machthaber würden über ein solches Ansinnen wahrscheinlich nur den Kopf schütteln.
Um das besser zu verstehen, muss man vielleicht mal ein Andersherum-Beispiel hernehmen. In Deutschland kratzt sich niemand an einer satirischen Darstellung von Religionsgründer Mohammed oder Staatsgründer Atatürk. In den betreffenden Kulturen und Ländern dagegen steht man mit eineinhalb Beinen im Grab, wenn man so etwas wagt. Haben die aber deshalb das Recht, unseren Medien im Internet vorzuschreiben, was wir satirisch darstellen dürfen und was nicht?
Das alles will sagen: so ganz einfach ist das mit der Löscherei nicht, wie es erst mal scheint. Und manchmal ist Toleranz wohl einfach die beste Lösung. Das Problem dabei ist nur: Toleranz ist eine Geisteshaltung, für politische Profilierung ist sie sehr ungeeignet. Oder wie seht ihr das?
viele Grüße
Stefan Münz