11.10.2007
So viel steht fest: das wahre Potential von Wikis ist noch lange nicht auf breiter Front erkannt. Zu fest ist immer noch die Gleichung „Wiki = Wikipedia“ in den Köpfen verankert. Und viele können sich überhaupt nicht vorstellen, dass ein Wiki auch etwas anderes enthalten kann als eine Riesensammlung von Artikeln, die lediglich durch intensive Querverlinkung vernetzt sind.
Doch die Erfolgsgeschichten neuerer Anwendungsfälle für Wikis mehren sich. Das Wortgefecht berichtet im Beitrag Wenn aus E-Mail Wikis werden wieder mal von einem solchen Fall. Die Dresdener Kleinwort Investmentbank, ein Unternehmen mit 6.000 Mitarbeitern, verstreut in New York, Paris, Luxembourg, Tokyo, Singapour und Hong Kong, hat seinen Mailverkehr um 75% reduzieren können. Grund ist ein internes Wiki, in dem nun all die vielen Inhalte rund um das Organisieren von Meetings, Gesprächsprotokolle, Brainstormings, Präsentationen usw. festgehalten werden.
Details des erfolgreichen Einsatzes sind in der Dresdner Kleinwort Wasserstein Case Study (PDF-Dokument) nachzulesen. Dort wird auch deutlich, dass der Erfolg eines Wikis nicht allein durch die Bereitstellung einer reinen Infrastruktur zu bewerkstelligen ist. Denn allein mit „wir haben jetzt ein Wiki, da könnt ihr alles reinschreiben“ funktioniert die Initialzündung nicht. Nur IT-Experten können sich an noch leeren Infrastrukturen mit abstrakten Regeln erfreuen. Normalanwender benötigen dagegen eine bereits erkennbare Infrastruktur, deren Regeln sie leicht erkennen und anwenden können.
Zur Anwenderfreundlichkeit gehört auch eine anschauliche, intuitive Benutzerschnittstelle für technikferne Redakteure. So genügen diesen Anwendern die typischen Wiki-Formatiersprachen nicht — sie wollen echtes Wysiwyg beim Editieren. Bei der Dresdener Kleinwort hat man sich für die Wiki-Software von Socialtext entschieden, das zunächst ebenfalls nur mit Wiki-eigener Syntax operierte, mittlerweile aber auch mit Wysiwyg-Editierumgebung angeboten wird.
Um tatsächlich massenhaft Anwender innerhalb eines Unternehmens als Aktiv-Redakteure in ein Wiki zu locken, bedarf es aber noch mehr: es muss investiert werden — in Aufklärung und Schulung. Die Gegenfinanzierung solcher Investitionen ist das langfristige Zeitsparpotential, das gebenüber älteren Kommunikationsmedien wie E-Mail oder lokal gespeicherten Dokumenten entsteht: weniger Suchen, Weiterleiten, in andere Anwendungen Kopieren, Versionenwirrwarr usw. Zumindest, solange beim Wiki nicht die Disziplin einreißt und am Ende ein Riesenhaufen verwaister Wikiseiten mit lauter Links auf nie angelegte Artikel übrig bleibt. Denn ein Wiki ist lediglich eine zwanglose Plattform zur Selbstorganisation von Know How. Die Disziplin bei dieser Selbstorganisation muss von den Beteiligten kommen.
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