An Wikipedia schrauben im Dienste der Barrierefreiheit

31.07.2007

Wie das Barrierefrei-Magazin Einfach für alle am 24. Juli 2007 berichtete, hat sich eine Initiative gebildet, um Wikipedia besser zugänglich zu machen — zu finden auf der Wikipedia-internen Seite Wikipedia:BIENE. Die BIENE ist der bekannteste deutsche Award im Bereich Barrierefreiheit. Anlass für die Initiative innerhalb der Wikipedia ist, dass die BIENE sich für 2007 vorgenommen hat, große Anbieter von Web-2.0-typischen Services genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei wird auch Wikipedia genannt.

Nun weiß jeder, der sich einmal mit der Barrierefreiheit von Webseiten befasst hat, dass dies eine vielschichtige Angelegenheit ist. Es beginnt schon damit, dass der Ausdruck „barrierefrei“ sich nicht einfach als Euphemismus für „behindertengerecht“ versteht. Auch Unübersichtlichkeit oder schwere Textverständlichkeit stellen Barrieren dar, und nicht nur Menschen mit Behindertenausweis scheitern an solchen Barrieren. Wobei die Grenzen natürlich von Mensch zu Mensch sehr verschieden sind. Ebenso verschieden wie die Ansprüche und anvisierten Zielgruppen von Web-Inhalten. Es gibt formale Regeln, die mit etwas redaktioneller Disziplin leicht einhaltbar sind, etwa die Verwendung von Alternativtexten bei Grafik und Multimedia, oder zusammenfassende Beschreibungen für Tabellen. Doch bei Themen wie Unübersichtlichkeit oder Textverständlichkeit scheiden sich die Geister. Manche finden viele Links auf der Startseite praktisch, andere werden dadurch verwirrt. Die einen verstehen keinen Satz mit mehr als zehn Wörtern, und andere fühlen sich eher für dumm verkauft, wenn sie wie bei der Sendung mit der Maus angesprochen werden.

Ein Webprojekt wie Wikipedia, dessen Bedeutung für die Menschheit von Tag zu Tag wächst, muss sich allerdings mit all diesen Dingen auseinandersetzen. Die BIENE-Initiative ist dabei wohl sicher nicht der erste Gedanke, der bei den Wikipedianern an das Thema Barrierefreiheit verschwendet wurde. Denn trotz des chaotischen HTML- und CSS-Gewirrs, durch das sich das Standard-Monobook-Layout der MediaWiki-Software auszeichnet, macht die komplexe Wikipedia-Startseite zumindest im Lynx-Browser einen recht ordentlichen Eindruck, wie auch der Lynx-Viewer von K&K Software bestätigt.

Gut gelöst ist beispielsweise die Möglichkeit, sehr weit oben im Text, für grafische Browser unsichtbar, zur Navigation und Suche springen zu können. Damit wird bereits ein typisches Hindernis und Ärgernis überwunden, an das nur wenige Seiten denken. Denn einerseits ist es für Erstbesucher schlecht, wenn zuerst die Navigation und erst dann der Seiteninhalt präsentiert wird, doch andererseits ist es für Benutzer, die von einer Artikelseite zur Hauptseite zurückspringen absolut nervtötend, sich jedesmal wieder durch den Einführungstext bis zur Navigation quälen zu müssen.

Auch die relativ weit oben angesiedelten Links zur Groborientierung, die zu Unterportalen wie Geographie, Geschichte oder Gesellschaft führen, sind durchdacht platziert. Auf den ersten Blick wirkt die Wikipedia also nicht so, als ob man sich überhaupt noch keine Gedanken zu dem Thema gemacht hätte. Gerade das aber könnte für Webdesigner, die über tieferes Know How in Sachen Barrierefreiheit verfügen, ein Anreiz sein, sich an der Wikipedia:BIENE zu beteiligen. Auf der Seite selbst kann man sich als Mitstreiter eintragen, indem man sie editiert. Oder man probiert erst mal durch Teilnahme an den Diskussionen, wie gut es mit der Wellenlänge mit den anderen Interessenten klappt. Benötigt werden aber nicht nur Webdesign-Experten, sondern auch Vertreter der Zielgruppe, also Web-Benutzer mit Handicaps.

Wichtig ist der Initiative, dass vor allem Lösungen erarbeitet werden, die nicht zur Folge haben, abertausende von Wikipedia-Artikeln umschreiben zu müssen. Die Lösungen sollen bereits auf der Software-Ebene von MediaWiki greifen, oder zumindest auf der Ebene der Skins, also etwa in den Sourcen des Monobook-Layouts. Da ist eigentlich alles erlaubt zu denken, von software-seitiger Artikel-Inhalts-Optimierung bis hin zu einem intelligenten System aus medienabhängigen CSS-Stylesheets. Falls die Initiative zu Ergebnissen führt, könnten die Lösungen möglicherweise auch für andere Software-Anbieter (etwa für Anbieter von Content-Management-Systemen) von Interesse sein.


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