Bund fördert Wikipedia-Inhalte

27.06.2007

Frei und gleichzeitig erfolgreich zu sein ist eine wirklich tolle Mischung, die leider nur selten gelingt. Bei Wikipedia ist sie bekanntlich gelungen, und zwar so gut, dass selbst die notorischen Kritikaster des größten Enzyklopädie-Projekts der Menschheit ihre helle Freude daran haben, weil sie immer wieder neue Gründe für Schmähungen geliefert bekommen. der neueste Grund könnte diese Meldung sein. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (kurz: Seehofer) beauftragt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) damit, Fachartikel für Wikipedia zu erstellen oder bestehende Artikel zu verbessern. Betroffen ist das Themengebiet nachwachsende Rohstoffe.

Das Kalkül ist klar und wird auch gar nicht verschwiegen: Wikipedia ist die ideale Plattform, um Sachinhalte einführend und allgemeinverständlich zu publizieren. Ein interessanter Sinneswandel, der zum Weiterdenken einlädt. Bislang hat man wegen jedem Pippifurz dieser Art erst mal eine neue Domain eröffnet (in diesem Fall also beispielsweise www.nachwachsende-rohstoffe.de ;-). Doch nun entdeckt man plötzlich, dass man nicht mehr für alles eine neue Adresse braucht, sondern dass es manchmal sinnvoller ist, Inhalte im Rahmen bestehender Plattformen zu publizieren, die user generated content ermöglichen. Nicht mehr ins Web stürmen nach dem Motto „hallo ihr da draußen, jetzt kommen wir!“, sondern erst mal überlegen, wie man sich in der gewachsenen Hypertext-Struktur des Webs am sinnvollsten platzieren kann. Diese Lektion haben die Seehofer-Leute also wirklich gut gelernt.

Der andere Aspekt der Angelegenheit ist jedoch etwas heikler. Da sollen also bezahlte Auftragsschreiber in Wikipedia editieren, die natürlich nur des' Liedchen singen, wes' Brötchen sie essen (Seehofers Brötchen in dem Fall). Bezahlen tun wir es letztendlich mit unseren Steuergeldern, insofern ist der Kreislauf so weit in Ordnung. Denn Informationen sind längst so wichtig wie Autobahnen, also ist es normal, dass Steuergelder in die Bereitstellung von Bürgerinformation fließen. Doch wie viel wird das kosten, sollten sich die Auftragsschreiber in den endlosen Edit-Wars einer kollaborativen Web-2.0-Plattform verlieren? Und wie unabhängig kann das Wikipedia-Projekt auf die Dauer gesehen bleiben, wenn das Beispiel Schule macht und sich in den nächsten Jahren alle möglichen Verbände, Vereine und Lobbyisten hauptberuflich „ihren“ Themenbereich in Wikipedia krallen und beackern wie ein Bauer „sein“ Stück Land? Vielleicht kann man es ja auch mal ganz entspannt als Versuchsballon betrachten.


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