Die Abbildung der wahren Verhältnisse im Facebook-Web

22 Mar 2011 06:49

fb-like.png Auch Normalos beginnen sich zu bekennen - eine Facebook-Welle macht das deutlich.
(eigentliches Veröffentlichungsdatum: 25.02.2011)

Im Kreis der Digerati ist es wirklich angenehm, bei einem Twittagessen im Unperfekthaus vielleicht, die Daten in der Cloud, und den Kellner schnippisch fragen, ob man auch mit Paypal zahlen könne. Da ist man sich auch weitgehend einig über Fälle wie zu Guttenberg. Für einen Blender hat man ihn immer schon gehalten, doch nun ist es amtlich, und für die Republik ist es eine Schande, wie dummdreist und schamlos sich der Entlarvte an die Macht klammert.

Allerdings sind mal eben knapp 300.000 Personen anderer Ansicht, nämlich alle, die auf der Facebook-Seite Gegen die Jagd auf Karl-Theodor zu Guttenberg innerhalb weniger Tage auf Gefällt-mir geklickt haben. Da kann der Kreis der Digerati nicht mehr mithalten. So ein Mega-Flashmob, und das auch noch für die Zementierung des kranken Status Quo. Zunächst wollte man ja noch ein paar messerscharfe Erklärungsversuche anbringen wie etwa den, dass man sich im Schmuddelmilieu des Web 2.0 durchaus ganze Großstädte an Followern zusammenkaufen könne. Konkret genannt wurde dabei das Angebot 100.000 Facebook-Fans für knapp 5.000 US-Dollar (was tatsächlich existierte). Die bemerkenswerte Pro-Guttenberg-Welle wäre also theoretisch für knapp 15.000 Dollar generierbar gewesen. Eigentlich kein großes Geld für einen wie Tobias Huch, Unternehmer und Anteilseigner an mehreren Medien-Firmen. Er hat die Facebook-Seite zugunsten des in die Enge geratenen Verteidigungsministers gegründet.

Huch betont jedoch gegenüber JETZT, dem Magazin der Süddeutschen Zeitung, dass die Gefällt-Mir-Klicker seiner Pro-Guttenberg-Seite allesamt echt seien: „Das kann ich eidesstattlich versichern.“, sagt er in dem lesenswerten Artikel Wo kommen all die Guttenberg-Fans her? des JETZT-Magazins.

Nun könnte man kontern, dass er eben einfach dummdreist lüge, schließlich unterstütze er eben diese Mentalität ja bei zu Guttenberg. Aber das herauszufinden ist eigentlich gar nicht nötig. Die Wahrheit ist vermutlich viel trivialer: In Deutschland gibt es derzeit 15 Millionen Facebook-User. Die meisten davon sind bislang nur dort, weil Freunde und Verwandte ebenfalls dort sind, weil man da so schön an Geburtstage erinnert wird und außerdem noch Pixelschafe züchten kann, wenn mal nichts im Fernsehen kommt. So ganz allmählich entdecken einige jedoch auch die Crowd-Power-Instrumente von Facebook. Und wenn dann der liebe Schwiegersohn irgendwas von einer Seite zur Ehrenrettung des schnieken Baron zu Guttenberg in die Timeline postet, sind auch auch Muttern und Omma nicht mehr zu halten und klicken waghalsig auf Gefällt mir!

So sind am Ende 2% der deutschen Facebook-User ausdrücklich dafür, dass der Doktorschwindler seine Ich-will-Kanzler-werden-Karriere fortsetzen kann. In zwei bis drei Jahren wird man über solche Zahlen nur lachen. Stattdessen wird man dann eher darüber diskutieren, ob Facebook-Seiten in Verbindung mit der Gefällt-mir-Funktion nicht vielleicht die zeitgemäße Form für politische Entscheidungsfindung im Lande sind. Liquid Democracy mit Zuckerberg-Infrastruktur, angetrieben durch Medienmacher wie Tobias Huch, die sich keine Fans kaufen müssen, weil sie reichlich genug entlohnt werden von den Lobbies, für die sie Facebook-Kampagnen starten.

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