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Die meisten Menschen sind eher noch damit beschäftigt, Software zu beherrschen. Keiner von ihnen würde auf den Gedanken kommen, sich selbst zu Software zu machen. Gut, man kennt Matrix, den Film, oder vergleichbare Science-Fiction-Entwürfe. Aber wenn man seinen PC einschaltet, vergisst man so etwas schnell wieder. Nicht so Manu Sporny. Er hat genetische Informationen über sich selbst in eine große Textdatei gepackt und diese im Web veröffentlicht. Und zwar unter der Unlizenzform Public Domain, sprich, die Daten gehören der Allgemeinheit.
Das mit der Datei ist tatsächlich so trivial. Hier ist sie (2,3 Mb), und hier Manus einführende Erklärung dazu. Nicht zu vergessen der ebenfalls von Sporny geschriebene, dazu passende Blogartikel Open Sourcing My Genetic Data.
In dem Artikel erklärt Sporny zunächst, wie er an die Daten und auf die Idee gekommen ist. Auf der Website von 23AndMe hat er das Angebot gefunden, seine DNA aufschlüsseln zu lassen. Dort bekommt man gleich auf der Startseite das Angebot unterbreitet, für derzeit 199 US-Dollar (ehemals 499 Dollar) einen ungetrübten, genetisch scharfen Blick auf sich selbst zu erhalten, auf Krankheitsdispositionen, wahre Herkunft und Persönlichkeitsmerkmale. Diesem Angebot konnte Manu Sporny, Geschäftsführer der Internet-Firma Digital Bazaar mit Sitz in Blacksburg, Virginia, und Co-Chair der RDFa-Arbeitsgruppe des W3-Konsortiums, nicht wiederstehen. Er schickte also seine Spucke ein und erhielt seine DNA-Aufschlüsselung aus dem CLIA-zertifizierten medizinischen Labor von 23AndMe in Dateiform.
Nicht viel schwieriger als eine Registrierung bei Facebook: das HowTo zum Angebot von 23AndMe
Spornys Freunde und Bekannte reagierten mit einer Mischung aus Schockiertheit und Misstrauen auf das Ansinnen. Er versichert, lange und intensiv über Fragen wie die nachgedacht zu haben, ob nicht jemand das veröffentlichte Material gegen ihn verwenden könnte, und welches überhaupt seine Beweggründe für diese Veröffentlichung seien. Dann klärt er wissenschaftlich auf: die veröffentlichte Datei enthalte die Daten von etwa einer Million sogenannter SNPs (Single Nucleotide Polymorphisms). Insgesamt bestehe das menschliche Genom aus etwa der zehnfachen Menge an SNPs. Und lediglich von etwa 14.500 SNPs (das entspricht etwa 1,5%) wisse man derzeit, was sie bewirken, wobei das nicht einmal in allen Fällen gesichertes Wissen sei. Das Wissen um die SNPs, so verrät er weiter, werde übrigens in einem Wiki im Web offen zugänglich gesammelt, nämlich in der SNPedia.
Was ihn aber letztlich zu seiner Aktion verleitete, war die Tatsache, dass 23AndMe als erster Anbieter dieser Art überhaupt seinen Kunden den Download der ermittelten Labordaten erlaubt, und damit eben auch die elektronische Weiterverarbeitung der Daten. Mit zwei simplen Linux-Shellkommandos beförderte er die Daten in sein Software-Repository bei der zur Zeit sehr angesagten Social-Development-Plattform Github. Während des Uploads dachte er, wie in seinem Blogartikel zu lesen ist, daran, wie nah die Menschheit angesichts dieser Möglichkeiten mittlerweile an einer um Klassen besseren Gesundheitsvorsorge ist als gegenwärtig der Fall.
Sporny ist Software-Entwickler und als solcher gewohnt, Code zu lesen und Code zu verstehen: „Code is code, whether it is 1s and 0s or A, G, C, and Ts“, sagt er. Ob es sich um Code in einer Programmiersprache wie Java handelt, oder um eine in Dateiform kodierte menschliche DNA-Analyse, macht für ihn also keinen Unterschied. Vom täglichen Umgang mit Computersprachen bis zum Upload des eigenen genetischen Codes ins Internet ist letztlich nur ein kleiner, logischer Schritt - wenn man so tickt wie Manu Sporny. Ihm selbst habe seine DNA-Analyse Erkenntnisse gebracht wie die, dass er knapp doppelt so stark für altersbedingte Makuladegeneration disponiert sei wie der Bevölkerungsdurchschnitt. Programmierern könne eine Datei wie jene, die er nun auf Github anbiete, jedoch dazu dienen, das Ermitteln von Wissen um die Beiträge einzelner SPNs zu beschleunigen. Wenn ein vollständiges menschliches Genom sich auf eine etwa 25 Megabyte große Textdatei abbilden lasse, dann müsse es doch möglich sein, die zahlreichen Lookup-Vorgänge, die beim Entschlüsseln der SNPs erforderlich seien, software-technisch hochgradig zu beschleunigen. Möglicherweise denkt er an eine netzgestützte, verteilte Rechenpower nach dem Vorbild von Seti@Home. Sporny kann sich jedenfalls gar nicht genug daran erfreuen, dass das menschliche Genom nicht mehr Daten enthält als ein paar MP3-Songs oder 5 bis 7 hochauflösende Digitalfotos.
So bizarr die Sporny-Aktion manch einem vielleicht erscheinen mag, so wenig einzigartig ist sie tatsächlich. Genaugenommen ist nur die Deklaration der Daten als Public Domain das, was bei Sporny wirklich neu ist - und vielleicht noch das 23AndMe-Sonderangebot zur DNA-Aufschlüsselung. Im Internet veröffentlichte, genetische Strukturen von Menschen sind dagegen nichts wirklich Neues. James Watson, Entdecker der DNA und Nobelpreisträger, stellt sein Erbgut schon seit Jahren auf der Website James Watson's Personal Genome Sequence aus, wo sogar eine als CGI-Script werkelnde Software namens Generic Genom Browser (GBrowse) das Erbgutlesen für Insider erleichtert. Selbst das Erbgut von Desmond Tutu, dem schwarzen Erzbischof und Friedensnobelpreisträger, ist einsehbar - im Rahmen einer Studie, die im Februar 2010 in der Zeitschrift Nature (Complete Khoisan and Bantu genomes from southern Africa) veröffentlicht wurde. Wie die FAZ aktuell berichtet, sollen sich Tutus ideologische Hoffnungen durch die weiteren Forschungsergebnisse zu dieser Studie durchaus erfüllt haben: dass nämlich menschliche Rassen Schall und Rauch seien.
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