Stadt- und Regiowikis im Aufwind

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Alles twittert, alles bloggt, angetrieben von vermeintlicher Neuigkeitengier. Dabei ist das Generieren von Information auf der Zeitachse nur ein mögliches Mittel der Wahl, und nicht unbedingt für alle Zwecke das beste. Das jederzeit aktualisierbare Zusammentragen von Informationen, Erinnerungen, Erfahrungen und Bewertungen ist in gar nicht wenigen Fällen sinnvoller. Vor allem, wenn mehrere oder gar viele daran beteiligt sind. Das Wiki-Prinzip also. In vielen Unternehmen und deren Intranets funktioniert es bereits erfolgreich. Ein weiterer erfolgversprechender, aber noch nicht so bekannter und diskutierter Einsatzbereich sind Stadt- und Regional-Wikis.

Inspiriert wurde dieser Beitrag übrigens durch den Artikel Stadt- und Regio-Wikis von Wikianer Raimond Spekking, der auf dem RegioWiki-Camp 2009 in Furtwangen einen Vortrag zum Thema gehalten hat. Das RegioWiki-Camp, das vom 25. bis 27. September stattfand, war die erste Veranstaltung dieser Art in Deutschland. Veranstalter war die European Regiowiki Society, unterstützt durch die deutsche Stadtwiki-Gesellschaft zu Förderung regionalen Freien Wissens. Allein schon an all diesen Gesellschaften und der (selbst)bewusst von Barcamps abgeleiteten Bezeichnung „RegioWiki-Camp“ lässt sich erahnen, dass die Idee der Stadt- und Regiowikis längst kein Traum einiger Web-2.0-Evangelisten mehr ist. Auch SPIEGEL-Online hat sich des Themas angenommen — in dem Artikel Regiowikis -- Bürgerjournalismus durch die Hintertür, der vor wenigen Tagen erschienen ist und das Phänomen eher unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz für lokale Tageszeitungen sieht.

Eine schöne Übersicht der aktuell größten Stadt- und Regional-Wikis bietet die Liste der 15 größten deutschen bzw. deutschsprachigen Stadt- und Regiowikis. Regionale Wikis gibt es nicht nur für Großstädte wie Berlin, Hamburg, München, Köln, Stuttgart oder Dresden, sondern auch für kleinere Städte oder eher ländliche Regionen wie Illmenau, Leonberg, Pforzheim und Enzkreis, Lüneburg, Dithmarschen oder das Bergische Land.

Die oben schon erwähnte Stadtwiki-Gesellschaft bietet Interessierten, die für ihre Stadt oder Region ein Wiki einrichten wollen, über die Plattform Allmende.Stadwiki.Info Starthilfe an. „Das Wort Allmende steht für eine von einer Gemeinschaft gemeinsam genutzte Fläche. Im klassischen Bereich beispielsweise der Wald eines Dorfes“, heißt es dort. So richtig erkennbar ist allerdings noch nicht, worin die digitale Allmende bestehen soll. Ein paar Editiertipps zu MediaWiki, der bei Stadt- und Regiowikis vorzugsweise eingesetzten Wiki-Software, ist jedenfalls noch keine Hilfe zur Errichtung von Stadt- und Regiowikis.

Auch wenn bei einem Wiki nicht alles topdown im Vorfeld geplant werden muss, so ist es auf jeden Fall von Vorteil, mit einem Konzept zu beginnen. Die Dimensionierung etwa. Was soll das Wiki enthalten? Zum Beispiel ein Verzeichnis aller Straßennamen und deren Herkunft? Oder systematisch behandelte Bereiche wie z.B. "alle Spielplätze" oder "Vereine stellen sich vor". Soll das Wiki Inhalte anderer Quellen aggregieren, also etwa Feeds von Bloggern aus der Stadt oder der lokalen Presse? Oder Inhalte aus Google Maps, Open Street Map oder Branchenverzeichnissen? Soll es neben der Möglichkeit, Inhalte zu editieren, noch weitere Formen von Nutzerbeteiligung geben, z.B. Bewertungs-Reviews, Diskussionsforen oder Twitter-ähnliche Shoutboxen? All diese Dinge sollten nämlich auch Software- und Hosting-Fragen beeinflussen.

Zu klären sind ferner Fragen nach der redaktionellen Power. Denn einfach ein Wiki mit einem Städtenamen einzurichten und zu hoffen, dass die Menschen der Stadt es mit Inhalten befüllen mögen, ist etwas zu naiv. Weiterhin sollten gute Kontakte zu kommunalen Behörden, ortsansässigen Unternehmen und Geschäften und anderen, lokal bedeutsamen Organen aufgebaut werden. Wobei die Aufgabe jedoch weniger die eines klassischen Reporters ist, der Inhalte aus fremden Nasen zieht, sondern eher die eines Animateurs, der andere dazu bewegt, ihr Wissen, ihre Erfahrungen selber ins Wiki zu schreiben und für Bereiche davon redaktionelle Verantwortung zu übernehmen.

Das Stadtwiki Karlsruhe gilt derzeit als Maß der Dinge im Bereich der Stadt- und Regiowikis, wie dieser lesenswerte Artikel bescheinigt. Der Artikel geht auch auf ein leidiges Thema ein und zitiert den Gründer des Karlsruher Wikis Hauke Löffler: „Für das Stadtwiki Karlsruhe sind neun Anwälte tätig. Diese machen das freiwillig, weil sie von der Idee des Wikis überzeugt sind. Es kommt immer mal wieder eine juristische Auseinandersetzung vor. Dann ist es gut, wenn man Anwälte in der Hinterhand hat. Die Angelegenheit regelt dann immer wieder ein anderer Anwalt, so dass diese nicht zu stark von uns beansprucht werden“. Kein Wunder, denn ein Stadt- und Regio-Wiki tritt in Informationskonkurrenz zu lokaler Presse, lokalen Anzeigenblättern und anderen lokalen Anbietern im Web. Wiki-Benutzer können Dampf ablassen über Missstände, Namen nennen, wo in der alten Medienlandschaft keine genannt worden wären und vieles mehr.

Ein spannendes Unterfangen also, so ein Stadt- oder Regionalwiki. Wer eigene Erfahrungen damit hat, darf sie in den Kommentaren gerne schildern!

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