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„Überall in den Medien werden die großen Parteien gepuscht und die kleinen als unbedeutend ausgesiebt!“ Eine Woche vor der Bundestagswahl ist das durchaus ein wichtiges Thema. Nicht alle kleineren politischen Kräfte verfügen über genügend Rückenwind, um sich Piraten-Aktionen wie Enter den Raab leisten zu können.
Wenn eine demokratische Wahl gerecht sein soll, dann gehört dazu mehr als die Organisation einer freien und geheimen Abstimmung für alle Wahlberechtigten. In einer Welt, in der Medien einen wesentlichen Einfluss darauf haben, was wir denken, gehört zu einer gerechten Wahl auch eine gerechte Vorwahlphase, mit Gleichbehandlung der sich bewerbenden politischen Kräfte, und mit Informationen, die nicht ausgrenzend sind.
Klingt selbstverständlich? Ist es aber nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Die öffentlich-rechtlichen Medien, die sogar einen staatlichen Aufrag zur Ausgewogenheit haben, vermitteln Normalbürgern durch die Art ihrer Berichterstattung ein reichlich verzerrtes Bild, in dem fast ausschließlich und immer wieder die Status-Quo-Parteien ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden. Elefantenrunden, Kanzlerduelle — serviert wird, was bekannt ist und hinreichend viele Filter durchlaufen hat, um vor grenzwertigen oder tabubrechenden Äußerungen gefeit zu sein. Es darf vermutet werden, dass es nur deshalb noch so etwas wie „große“ Parteien gibt, weil und solange es noch „große“ Medien gibt, in denen immer die gleichen Politikerköpfe zu Wort kommen.
Damit Verantwortliche und alle anderen Leute sich mal etwas mehr Gedanken über die Gleichbehandlung von Parteien in Medien mit Informationsauftrag machen, hat Karin Münz einen offenen Brief verfasst:
Wer sich in den letzten Wochen ebenfalls über eine Berichterstattung in den Medien geärgert hat, die den Eindruck erweckt, als hätten sich ordentliche Wähler gefälligst zwischen CDU und SPD zu entscheiden, kann sich als Unterstützer eintragen.
Abschließend noch zwei Links zum Thema:
- Gegen parteiische Berichterstattung
Artikel der NeuenRichtung, selber eine Art Nichtpartei. - Alle Parteien zur Bundestagswahl 2009
Gute Übersicht aller zur Wahl stehenden Parteien, mit Links zu Parteiprogrammen und Parteien-Profil-Sites.
Dass das "Duell" der Spitzenkandidaten der Regierungsparteien kein Glanzstück der Medien war ist geschenkt. Soetwas wird es bestimmt nicht noch einmal geben.
Aber ist die gleichberechtigte Präsentation aller Parteien ein realistischer Gegenentwurf?
Im Internet und in den privaten Medien bestimmt nicht, denn dort bestimmen die Nutzer oder die privaten Besitzer die Linie.
Aber auch in den öffentlich-rechtlichen Medien wäre eine gleichberechtigte Präsentation nicht realistisch. Wer will die MLPD mit der Naturgesetzpartei über die Euro-Einführung diskutieren sehen, bei einer 20-stündigen Sendung mit Vertretern von 40 Parteien, während derer Martin Sonneborn von der PARTEI aus Protest gegen die CDU seine Kleidung aufisst?
Ist es nicht so, dass gesellschaftlich relevante Gruppen wie z.B. die Grünen, die Linke, die Piraten automatisch genug Aufmerksamkeit bekommen, weil auch in den Medien, unter den tonangebenden Journalisten, die Verteilung der Sympathien auf einzelne Parteien genau so ist in der breiten Masse der Bevölkerung, und so relevante Gruppierungen auch immer Fürsprecher in den Medien finden werden?
Die Vermutung, dass es nur deshalb große Parteien gibt, weil hinter großen Parteien eine Menge Fürsprecher in den Medien steht, kann schon deshalb nicht richtig sein, weil vor diesem Hintergrund die momentane Stärke der Grünen und der FDP sowie der Linken nicht erklärbar ist. Rechtsextreme Parteien dürften so überhaupt nie irgendwo ins Parlament kommen.
Die Fokussierung der Berichterstattung auf Parteien mit realistischen Wahlchancen ist gerechtfertigt, da eine Berichterstattung über jede obskure Randgruppe die Zuschauer bzw. Zuhörer bzw. Leser überfordern und langweilen würde; Parteien, die "den Nerv der Zeit" treffen, haben, wie an den Grünen und der Linken zu sehen, offensichtlich trotz der nicht immer fairen Behandlung durch die Medien Chancen.
Von daher mag Gerechtigkeit unparteiisch sein, aber das Leben ist genau so wenig gerecht wie die Politik oder die Wähler, die oftmals lieber die größten Scharlatane als die größten Denker wählen.
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