3,6 MBit/s Internet aus dem All mit satspeed - Erfahrungsbericht

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Zur aktiven Teilnahme am modernen Web ist ein breitbandiger Internetzugang unerlässlich. Denn Informationen und Unterhaltung bestehen häufig auch aus Videos oder flash-basierten Applikationen. Multimedia funktioniert aber nur ungenügend mit Modem- oder ISDN-Verbindungen, die zudem meist noch zeitgetaktet sind. Abseits der größeren Städte und manchmal auch schon in deren Randbezirken ist die DSL-Versorgung nicht immer vorhanden, oder sie ist mit 384 KBit/s Downloadgeschwindígkeit nicht wirklich für heutige Anforderungen ausgelegt. Eine Alternative zu Kein-DLS oder Armeleute-DSL ist mittlerweile Breitband-Internet aus dem Orbit. Seit Juli 2009 ist in Deutschland und einigen weiteren europäischen Ländern flächendeckendes Surfen mit 3,6 MBit/s Downloadgeschwindigkeit via Satellit möglich. Hier ein persönlicher Erfahrungsbericht nach den ersten Wochen.

Wo, wie und für wie viel?

Nach einigen Erkundigungen im Netz war schnell klar, dass von den verfügbaren Internet-via-Satellit-Lösungen eigentlich nur eine in Frage kam: die Tooway-Technologie von Eutelsat, die just in die Offensive ging und seit Juli 2009 erstmals eine Bandbreite von 3,6 MBit/s Downspeed und 384 KBit/s Upspeed für den privaten Massenmarkt anbietet. Konkret wird die Tooway-Technologie in Deutschland von drei Anbietern vertrieben: SkyDSL, Teldafax und der Internet-Agentur Schott. Letztere war zum Entscheidungszeitpunkt der einzige dieser drei Anbieter, auf dessen Webseiten mögliche Tarife mit der neuen, von zuvor 2.0 MBit/s angehobenen Bandbreite leicht zugänglich und halbwegs klar beschrieben waren. Deshalb fiel unsere Wahl auf Schott. In der Technik unterscheiden sich die genannten Tooway-Anbieter nicht, nur durch Qualitäten wie Kundenservice, Hilfsbereitschaft bei Problemen usw. Darüber gibt es sehr unterschiedliche Ansichten und Ergebnisse im Netz — gerade auch zu Schott. Unsere eigenen Erfahrungen mit Schott sind bislang neutral. Von der Bestellung an ist alles seinen üblichen Weg gegangen, und der Kunden-Service war bislang in Ordnung.

Vor der Erstbestellung steht die Entscheidung für das gewünschte Paket. Bei Schott kommen für Privatanwender und Klein-Unternehmen die Angebote sat_speed+ (nur Internet) oder sat_speed+ Triple Play (Internet, Fernsehen/Rundfunk und Telefonie) in Frage. Auf den entsprechenden Preisübersichten wird bereits klar: die Entscheidung für Internet via Satellit kostet richtig Geld. Die satspeed-Hardware (Schüssel mit Außen- und Inneneinheit, satspeed-Modem) schlägt allein mit einmalig 699 Euro zu Buche. Dazu kommen die Aktivierungspauschale von 99 Euro und die Sicherheitsleistung von einer Monatspauschale. Letzrere ist mit 28,90 Euro ein echter Kampfpreis, gemessen an Satelliten-Internet-Zugängen der Vergangenheit (Einschränkendes dazu weiter unten). Außerdem fallen in der Regel noch die Handwerkerkosten für die Montage und messgenaue Ausrichtung der Schüssel an. Schott hat Vertrags-Elektriker über ganz Deutschland verteilt, die eine Einweisung von Schott erhalten haben und die Hardware schlüsselfertig montieren und ausrichten.

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Die satspeed-Lösung benötigt auf jeden Fall eine spezielle Zwei-Wege-Schüssel

Wir hatten bereits eine Schüssel auf dem Dach für Fernseh-/Rundfunkemfpang. Da wir an dieser Installation nichts ändern wollten, entschieden wir uns für die reine Internet-Lösung sat_speed+. Auch dafür ist jedoch eine spezielle 74cm-Schüssel erforderlich, die für Senden und Empfangen ausgelegt ist. Nun sieht unser Dach aus wie ein Sonnenblumenfeld, aber Sonnenblumenfelder sind ja bekanntlich schön anzusehen.

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Links das spezielle satspeed-Modem, an das wir die satspeedBox (VoIP und WLAN.Router, rechts) angeschlossen haben

Zwischen der Schüssel und dem Standort des satspeed-Modems sollten nicht mehr als 30 Meter Kabel verlegt werden müssen. Das Modem verfügt über genau einen Ethernet-Ausgang. Will man dahinter ein LAN betreiben, empfiehlt sich die leider auch nicht ganz billige satspeet-Box aus dem optionalen Zubehör, das Schott anbietet. Ein gewöhnlicher D-Link-Router war zumindest bei uns nicht in der Lage, mit dem satspeed-Modem ausreichend zu kommunizieren. Den angeschlossenen Rechnern wurde dabei via DHCP kein DNS-Server zugewiesen. Auch das manuelle Eintragen der IP eines DNS-Servers half nicht. Das satspeed-Modem benötigt außerdem die Mac-Geräteadresse seines angeschlossenen Netzwerkgeräts. Schott macht keine Aussagen darüber, welche anderen Router eventuell geeignet sind und betont, die meisten DSL-typischen Router seien schon deshalb ungeeignet, da sie ständig Keep-Alive-Befehle ins Netz senden würden, was im Fall von Satelliten-Internet gar nicht nötig sei und nur unnötig Traffic koste. Die satspeedBox bietet vier Ethernet-Schnittstellen, wobei die erste ist für den Modem-Anschluss reserviert ist, plus WLAN. Weitere Anschlüsse dienen zum Anschließen einer Telefonanlage, falls man Voice over IP (VoiP) nutzen möchte.

Die Internet-Verbindung ist unserer Erfahrung nach stabil. Wetterbedingte Probleme gab es bislang nicht. Es kann sie dann geben, wenn entweder beim Endbenutzer oder beim Provider z.B. ein Unwetter niedergeht oder starker Schneefall die Sendeleistung beeintächtigt. Auf Endbenutzerseite sind kaum Probleme bekannt. Die satspeed-Anlage kann ihre Sende- und Empfangsleistung offenbar witterungsabhängig erhöhen und senken. Hin und wieder erhält man von Schott E-Mails über Schlechtwetterwarnungen im Großraum Turin (Italien). Dort nämlich ist die Bodenstation der Tooway-Technologie angesiedelt. Was nebenbei übrigens den Effekt hat, dass man als satspeed-Internet-Nutzer nach außen hin mit einer IP-Adresse erscheint, die nach Italien führt. Man merkt es an manchen Kleinigkeiten beim Surfen, z.B. italienischen Werbebannern. Bei Websites, die Geo-Targeting betreiben, kann es passieren, dass man bei einem italienischen Angebot landet. Dafür bekommt man keine Zensursula-Stoppschilder zu sehen.

Zwei wichtige Probleme sollte man kennen, bevor man sich auf Satelliten-Internet einlässt: das erste sind die hohen Latenzzeiten, und das zweite ist die sogenannte FUP (Fair Use Policy).

Problem: Latenzzeiten

Die Sache mit den Latenzzeiten lässt sich dadurch erklären, dass alle TCP/IP-Pakete bei Internet via Satellit zusätzlich zu ihrem terrestrischen Weg noch satte 72.000 Kilometer zurücklegen müssen. Vom Netzknoten des Providers aus geht es über einen Erdfunksender zum geostationären Orbit 36.000 Kilometer über dem Erdäquator, wo sich der Eutel-Satellit befindet. Dieser sendet die Pakete zur Empfangsschüssel des Users, was noch mal 36.000 Kilometer Wegstrecke ergibt. Bei den Wegen entsteht offenbar auch ein nicht ganz unbeträchtlicher Anteil an Mehrfachsendungen, weil Datenpakete nicht korrekt übertagen wurden. Das alles führt dazu, dass man in der Praxis mindestens eine Sekunde, oft mehrere Sekunden und manchmal sogar deutlich länger warten muss, bis nach dem Anklicken eines Links beispielsweise die aufgerufene Webseite im Browser erscheint. Kommen die Daten aber erst einmal an, geht der Seitenaufbau flott voran, und Downloads flutschen so wie man es bei 3,6 MBit/s erwarten kann.

Wegen der hohen Latenzzeiten sind Internet-Dienste mit Echtzeit-Übertragungen generell problematisch bis nervig. In einem IRC-Chat mag man Verzögerungen von ein paar Sekunden vielleicht noch hinnehmen. Bei manchen Online-Spielen sind solche Verzögerungen jedoch inakzeptabel, da sie z.B. strategische Nachteile gegenüber Konkurrenten oder Gegnern innerhalb des Spiels bewirken können. Auch VPN-basierte Remote-Desktop-Verbindungen, wie ich sie beruflich häufig nutze, werden zum nervigen Geduldsspiel, wenn jeder Tastaturanschlag-Response deutlich verzögert erscheint. Auch mit der anschwellenden Echtzeit-Killer-Applikation Google Wave wird man als Satelliten-User wohl weniger Freude haben als User, deren Daten auf der Erde bleiben. Zwar setzen die Sat-Anbieter bereits alle möglichen technischen Tricks ein, um das Latenzzeiten-Problem zu reduzieren, doch beseitigen lässt es sich wegen der langen Übertragungswege letztlich nicht.

Problem: FUP

Was den meisten Anwendern aber noch mehr zu schaffen macht, ist die Fair Use Policy (FUP). Das hört sich erst mal freundlich und sozial an, bedeutet aber in der Praxis, dass man keine echte Flatrate hat, sondern einen quasi volumenbasierten Zugang, wobei die Grenzen der möglichen Datenübertragungsvolumina einer komplexen Berechnung unterliegen. Bei Überschreitungen fallen weder Mehrkosten an, noch wird die Leitung gekappt. Stattdessen wird bei Übertretungen die Bandbreite reduziert. Benutzer befinden sich dann in der sogenannten „Drossel“, also im Zustand reduzierter Bandbreite. Selbst bei massivem, dauerhaften Überschreiten der berechneten Volumengrenzen verspricht der Anbieter, dass nach wie vor eine Internetverbindung möglich sei. Bei kurzfristigen oder geringen Überschreitungen der Grenzen wird die Bandbreite erst mal „moderat“ reduziert, bei deutlicheren, längeren Überschreitungen wird die Reduzierung dann immer stärker. Keiner der Provider macht genaue Aussagen über die Bandbreiten in der „Drossel“. Benutzer haben berichtet, dass im Extremfall nur noch ein Viertel der ISDN-Geschwindigkeit erzielt wird.

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Im Kundenbereich von satspeed können Benutzer jederzeit ihren FUP-Status grafisch kontrollieren

Die FUP berechnet sich beim satspeed-Angebot von Schott auf der Basis von 5 Werten, nämlich den verbrauchten Datenmengen der jeweils letzten Stunde, der letzten vier Stunden, des letzten Tages (der letzten 24 Stunden), der letzten Woche (der letzten 168 Stunden) und der letzten vier Wochen (der letzten 672 Stunden). Sobald der Maximalwert für einen der Zeiträume überschritten wird, gerät der Benutzer in die Drossel. Die Werte werden jedoch laufend neu berechnet, so dass man bei bescheidenerer Nutzung auch mehr oder weniger schnell aus der Drossel wieder herauskommt.

Um der Drossel zu entgehen, bietet Schott außerdem die Möglichkeit an, die Monatspauschale von 28,90 Euro aufzustocken. Drei höhere Monatstarife werden intern angeboten. Folgende Tabelle schlüsselt die Tarife und die enthaltenen Datenvolumina auf:

Tarif monatliche Kosten
Basic 28,90 Euro
Bronze 39,90 Euro
Silver 55,90 Euro
Gold 99,90 Euro

Der Basic-Tarif, den man anfänglich bezahlt, ist offenbar auf Einzelabnehmer mit eher traditionellem Internet-Verhalten zugeschnitten (ein, zwei Stunden täglich im Web surfen, drei mal täglich Mails holen, hin und wieder ein Programm herunterladen). Wir mussten jedenfalls schon nach wenigen Tagen auf den Bronze-Tarif umsatteln, um der FUP-Drossel zu entgehen. Und dabei hängen wir momentan erst mit zwei Benutzern an dem System. Unsere Kinder, passionierte WOW-Spieler, bleiben bis auf weiteres beim ebenfalls noch vorhandenen und weiterhin bezahlten 448er-DSL. Auch beim Bronze-Tarif kommen wir, wie obige Grafik zeigt, der FUP-Drossel schon bedenklich nahe. Auf die Dauer wird also wohl nur der Silver-Tarif für unseren Bedarf ausreichen. Power-User wie ich, die ständig online sind, teils hektisch surfen (z.B. beim Recherchieren für einen Blog-Artikel), oft stundenlang remote auf Servern arbeiten, ihre Daten aus der Cloud abrufen und keine Lust haben, sich bei bei jedem Link auf ein YouTube-Video die Kann-ich-mir-das-leisten-Frage zu stellen, verbrauchen nun mal mehr als eine Handvoll Gigabyte Traffic im Monat. Die genauen FUP-Obergrenzen für Stunde, vier Stunden, Tag, Woche und vier Wochen haben wir übrigens deshalb nicht genau angegeben, weil sie aus technischen Gründen nicht genau ermittelbar sind. Wir reden jedenfalls von monatlichen Gesamt-Traffic-Raten zwischen etwa 5 (Basic) und 30 (Gold) Gigabyte (grobe Angaben, ohne Gewähr). Süchtige File-Sharer können also spätestens hier die Lektüre abbrechen.

Ausblick: 2010 geht es hoch auf 10 MBit/s

In einem Interview mit Eutelsat-Deutschland-Chef Volker Steiner, das die Zeitschrit TV-Digital unlängst führte, verriet dieser, dass 2010 ein neuer Satellit mit dem Namen KA-SAT an den Start geht. Dieser wird über das 40fache der Datenübertragungs- und -verarbeitungs-Kapazitäten früherer Satelliten verfügen. Dadurch, so Steiner, könnten in Europa bis zu 2 Millionen Haushalte mit einem 10 MBit/s-Anschluss versorgt werden. Im dritten Quartal 2010 soll der neue Satellit online gehen. Die genannte Marke von 10 MBit/s verstehen wir als klares Versprechen. FUP-Anpassung (oder besser: deren Aufhebung) inklusive.

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